3 April 2020

An unsere allerersten Ärzte

Es ist schon fast ein Running Gag. Einer der führenden britischen Experten auf dem Gebiet der Diabetestherapie machte auf einer großen internationalen Konferenz sogar einen Witz darüber: „10 Jahre sind noch 10 Jahre entfernt“. Das wurde uns, oder zumindest den meisten von uns, nach unserer Diagnose gesagt: „In 10 Jahren wird es ein Heilmittel für Diabetes geben.“  

Sieben Jahre nach meiner Diagnose halte ich die 10-Jahres-Frist für nicht realistisch. Sebas und Roos, die hier bei Kaleido arbeiten, übrigens auch nicht. Sie haben beide seit mehr als 10 Jahren Diabetes, und ihnen wurde nach der Diagnose dasselbe gesagt.

Auf gewisse Weise ist es verständlich, dass unsere Ärzte uns (oder unseren Eltern) erzählt haben, dass es nicht für immer sein wird. Dass es nur 10 Jahre dauern würde. Weil es auf so nur vorrübergehend erscheint, so als ob alles bald wieder normal ist. Wie ein Silberstreif am Horizont. Und obwohl 10 Jahre eine lange Zeit sind, ist es dennoch mental irgendwie akzeptabel: Wenn man 10 Jahre lang damit lebt, hat man seine Schulden bezahlt und ist wieder frei. Das klingt doch machbar, oder?

Wir helfen uns selbst

Aber da diese 10 Jahre für die meisten von uns gekommen und gegangen sind, hat es uns alle auch verdammt skeptisch gegenüber neuen Entwicklungen und vermeintlichen Durchbrüchen gestimmt. Weil wir diese Entwicklungen noch nicht in den Händen halten, haben die meisten von uns eine „Ich glaube es erst, wenn ich es sehe“-Haltung gegenüber all diesen Versprechen. Denn man kann nicht von falschen Hoffnungen leben, während man täglich diesen Kampf führt. Man muss sich jetzt anstrengen und jetzt dafür arbeiten. Für den Fall, dass Menschen, die gestern das 10-Jahre-Versprechen erhalten haben, ebenfalls enttäuscht werden. Wahrscheinlich werden wir uns in 10 Jahren immernoch damit rumschlagen. Egal, ob mit oder ohne Medizinprodukte, die miteinander sprechen und egal, ob mit oder ohne automatische Insulinabgabe.

Letztendlich ist es machbar. Irgendwie werden wir es überleben. Zum Teufel, wir schaffen das. Indem wir jedes Bisschen der Technologie nutzen, die uns zur Verfügung steht. Dazu arbeiten wir entweder innerhalb der technologischen Grenzen oder entwickeln unsere eigene Technologie (#wearenotwaiting), um sicherzustellen, dass wir auch mit Diabetes so gut wie möglich leben können. So warten wir darauf, dass Regierungen und Krankenkassen endlich anfangen, für die Technologien zu bezahlen, die wir so verzweifelt brauchen. Währenddessen kaufen wir Technologien aus China, weil es das Einzige ist, was wir uns leisten können. Wir kämpfen für Kostenerstattung, für bessere Versorgung, für mehr Aufmerksamkeit für all diese „Randthemen“ wie Hormone und psychische Gesundheit. Kurzum, wir tun alles, was wir können, um mit Hochs und Tiefs klar zu kommen und kurz- und langfristige Folgen zu vermeiden. Und wir warten. Darauf, dass die Erfüllung dieses 10-Jahre-Versprechens nicht mehr 10 Jahre weg ist.

Bitte keine falschen Hoffnungen

An die Ärzte, die diese Versprechen gegeben haben und die diese Versprechen immer noch geben: Tun Sie es nicht. Sagen Sie uns nicht, dass es in 10 Jahren ein Heilmittel geben wird, wenn das nur eine Vermutung ist. Machen Sie uns oder unseren Eltern keine falschen Hoffnungen. Sagen Sie uns, dass es nicht einfach sein wird. Dass wir mindestens einmal im Monat, einmal in der Woche, vielleicht sogar einmal am Tag auf ein Heilmittel hoffen werden. Sagen sie uns auch, dass wir für jede durchgeschlafene Nacht, jede Mahlzeit ohne hohen Blutzuckerspiegel, jeden Lauf, jede Wanderung oder jeden Sport ohne Hypo hart arbeiten müssen.

Ermutigen Sie uns aber auch, dass die Technologie sich schnell weiterentwickeln wird. Technlologie, die uns bei unseren täglichen Problemen kann. Lassen Sie uns wissen, dass es überall auf der Welt sehr kluge Köpfe gibt, die an einer Heilung arbeiten. Aber bis es soweit ist, liegt es an uns, zu tun, was wir können, bis dieser Moment erreicht ist.

Über Veerle

Mein Name ist Veerle, ich bin 30 Jahre jung (oder alt, wie man es sieht ;-)) und seit 2013 gehöre ich zur „Gemeinschaft“ von Menschen mit Typ-1-Diabetes. Abgesehen davon, dass Diabetes ein (notwendiger) Teil meines Privatlebens ist, habe ich mich auch dafür entschieden, in der Diabetesbranche zu arbeiten.  Für 4,5 Jahre habe ich bei JDRF in den Niederlanden als Kommunikations- und Projektkoordinatorin gearbeitet, und seit August 2018 arbeite ich für ViCentra, das Unternehmen hinter Kaleido. Ich habe während meiner Diabetes-Karriere mehrere Insulinpumpen ausprobiert (und wieder aussortiert) und bin derzeit untrennbar mit meiner Kaleido verbunden.