16 April 2020

Tines Erfahrungsgeschichte über Hormone und Typ-1-Diabetes

2013 habe ich meine Diabetes-Diagnose erhalten und zu diesem Zeitpunkt die Antibabypille genommen. Ich habe nicht viel darüber nachgedacht, und meine Ärzte haben es auch nicht angesprochen. Also keine große Sache, dachte ich.

2015 wurde dann hatte ich dann zum ersten Mal mit Depressionen zu kämpfen. Zu dieser Zeit hatte ich viel über einen möglichen Zusammenhang zwischen der Pille und Depressionen gelesen. In der Hoffnung auf Besserung habe ich sie deshalb abgesetzt. Damals habe ich ehrlich gesagt nicht allzu viel über meinen Diabetes nachgedacht. So kurz nach der Diagnose war er für mich noch keine Priorität. Aber war es einen Versuch wert, etwas anderes auszuprobieren.

Zuerst möchte ich klarstellen, dass dieser Blog nicht dazu gedacht ist, die Vor- und Nachteile der Pille als Verhütungsmethode zu diskutieren. Vielmehr möchte ich erzählen wie ich die Zusammenhänge von Diabetes mit allen möglichen anderen Aspekten erkundet habe. Dabei möchte ich vor allem Hormone und Menstruation ansprechen, über die wir meiner Meinung nach nicht genug reden. Und um eine Frage aufzuwerfen: Warum scheint niemand dieses Thema ernst zu nehmen?

Sich wieder neu kennenlernen

Nachdem ich die Pille abgesetzt hatte, dauerte es lange bis sich mein Körper davon erholt hatte. Zuerst kam der Haarausfall, dann die Akne. Ich hatte Angst vor den Veränderungen, aber ich fühlte mich mental besser. Ich war dem richtigen Weg. Irgendwann (und glaubt mir, es fühlte sich wie eine Ewigkeit an!) hörte der Haarausfall auf, und mein Hautbild verbesserte sich. Das einzige, worauf ich noch gewartet hatte, war meine Periode. Es fühlte sich an wie eine Zeitreise zurück ins Teenageralter, als müsste ich meinen Körper ganz neu kennenlernen.

Als meine Periode wieder einsetzte, musste ich mich mit einigen größeren Problemen auseinandersetzen. Auf einmal wurde mein Diabetes von meinem Zyklus beeinflusst und umgekehrt. Warum hatte mir niemand gesagt, dass das passieren kann? Jeder Zyklus war anders. Was immer ich in einem Monat gelernt hatte, schien für den nächsten schon wieder nicht mehr zu gelten. Es war hart, und ich wurde ziemlich wütend, aber ich war auch auf seltsame Weise fasziniert.

Die Dinge selbst in die Hand nehmen

Also begann ich, zu recherchieren. Ich wollte alles wissen, was es zu diesem Thema zu wissen gab. Leider es stellte sich schnell heraus, dass es noch nicht viele Informationen gibt. Meine Online-Recherchen ergaben, dass niemand wirklich darüber sprach. Ich war ziemlich enttäuscht. Obwohl sie bei anderen Themen äußerst hilfreich waren, wussten weder mein Diabetologe noch mein Frauenarzt, wie sie mir helfen konnten. Langsam hatte ich das Gefühl, dass ich die Einzige mit diesem Problem war. War es meine Schuld? Ich begann, mir Notizen zu machen.

Mithilfe einer praktischen App habe ich alles über meinen Zyklus notiert. Mit diesen Informationen begann ich, Vergleiche anzustellen. Wann brauchte ich mehr Insulin und wann brauchte ich viel weniger? Wie reagierte mein Körper im Laufe meines Zyklus auf verschiedene Nahrungsmittel? Schritt für Schritt, Notiz für Notiz wurden mir langsam die Veränderungen bewusst, die mein Körper jeden Monat durchlebte. Es war ein ziemliches Chaos, aber meine Notizen halfen mir, mich in diesem Chaos besser zurecht zu finden.

Du bist nicht allein

Nachdem ich meine Notizen gemacht hatte, begann ich, mit anderen Menschen zu sprechen, die ebenfalls Diabetes haben. Menschen jeden Alters, die Hormonzyklen durchlaufen. Ich begann Live-Sitzungen zu organisieren, in denen wir redeten, zuhörten und Fragen stellten. Traurigerweise wurde deutlich, dass sich alle ziemlich allein fühlten. Als wäre es ihre Schuld, ihr persönliches Problem. Und, um die Sache noch komplizierter zu machen, scheinen die Erfahrungen jedes Einzelnen recht individuell zu sein. Bei einigen treten starke BZ-Schwankungen auf, wenn sie die Pille nehmen. Bei anderen passiert das, wenn sie die Pille absetzen. Manche leiden noch unter anderen Krankheiten, die es erschweren, den Zyklus zu im Zaum zu halten. Und für Frauen in einem bestimmten Alter kann es noch schwieriger werden, wenn sie in die Wechseljahre kommen.

Es fühlte sich gut an, zu reden und unsere Erfahrungen offen auszutauschen. Obwohl ich mich immer noch allein fühlte, wurde mir klar, dass es anderen auch so ging. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass ich dazu beigetragen konnte, das Schweigen zu brechen und Menschen zusammenzubringen. Auch wenn es Wut und Frustration waren, die uns geeint haben! Wir alle wünschten uns eine einfache Lösung für die Veränderungen, die wir ständig erlebten und an die wir uns anpassen mussten. Eine Erinnerung aus dieser Zeit, die wirklich hängen geblieben ist, war das Gespräch mit einem Mitarbeiter einer bekannten Diabetesmarke. Während unseres Gesprächs wiederholte er immer wieder: „Oh, aber es ist doch nur einmal im Monat – damit kann man doch leben, oder?“ Ich erinnere mich, wie er lachte, und dachte an all die Leute, mit denen ich gesprochen hatte, die das nicht so lustig finden würden.

Brecht das Schweigen und hört uns zu!

Seltsamerweise gibt es da draußen Menschen, die nicht glauben, dass ein Hormonzyklus Diabetes beeinflussen kann und umgekehrt. Vielleicht habt ihr schon einmal jemanden aus dem Gesundheitswesen erlebt, der euch zum Schweigen gebracht oder Scherze über eure Situation gemacht hat? Mir ging es jedenfalls so. Aber ich will nicht länger zum Schweigen gebracht werden. Wirklich hilfreich wäre, wenn diese Menschen anfangen würden, zuzuhören.

Als jemand, der mit Diabetes lebt, möchte ich, dass wir endlich den Raum bekommen, der uns zusteht, und dass wir gesehen und gehört werden. Ein großer Teil davon besteht darin, offener über diese Fragen zu sprechen und reale, stichhaltige und vielfältige Erfahrungen auszutauschen. Es wäre brillant, wenn Gesundheitsexperten endlich zuhören und Lösungen finden würden. Ich möchte mich und andere von der Scham und der Schuld befreien, mit der dieses Thema behaftet ist.

Damals im Jahr 2015, als ich die Pille abgesetzt habe, hätte ich nie gedacht, dass es so weit kommen könnte. Fünf Jahre später gibt es immer noch keine wirkliche Lösung. Und so frage ich mich: Warum gibt es so wenige Informationen für uns? Weshalb wissen unsere Gesundheitsexperten nicht mehr über dieses Thema? Aus welchem Grund wird nicht mehr geforscht, und warum haben wir immer noch oft das Gefühl, als seien unsere realen Erfahrungen unsichtbar? Wozu muss ich in jedem einzelnen Zyklus ein Solo-Abenteuer bestehen und jedes Mal aufs Neue versuchen, herauszufinden, wie viel Insulin ich wann brauche? Und wieso sind manche Tage einfach das totale Chaos, egal was ich esse?

Ich freue mich auf den Tag, an dem ich mehr weiß. Hoffentlich dauert es nicht mehr allzu lange.

Über Tine

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Tine lebt in Berlin, Deutschland, und arbeitet als Videoproduzentin und Köchin. In ihrem Blog icaneateverything.com schreibt sie über das Leben mit Typ-1-Diabetes, sensibilisiert für Diabetes, Menstruations- und psychische Gesundheit und teilt ihre Lieblingsrezepte. Ihr findet sie auf Instagram: @saytine.